Grusswort an der Jubiläumsfeier von "Kultur macht Schule"

Anlässlich der Jubiläumsfeier von "Kultur macht Schule" durfte ich am 23. August 2025 als ehemaliger Schulschaffender im Kanton Aargau ein Grusswort an die anwesenden Gäste in der Alten Reithalle Aarau richten. Hier meine kurze Rede:  

"Liebe Emy. Wie geht es dir? Ich hoffe, es geht dir gut. Wenn nicht, dann könnte dieser Brief dir helfen. Erinnerst du dich an mich? An dieses elfjährige Mädchen, damals als du für acht Monaten in die Schweiz gekommen bist. Du wolltest nicht, doch es gab keine Widerrede. Du musstest."

 

"Lieber Yathusan. Ich grüsse dich aus der Vergangenheit. Dieser Brief ist eigentlich ein Experiment, so etwas wie eine Zeitreise. Ich schreibe mir selbst einen Brief. Das ist doch komisch, findest du nicht? "

 

Diese Zeilen von Emy und Yathusan sind heute genau 10 Jahre alt. Die beiden und ihre vierzehn Klassenkameradinnen und Klassenkameraden haben im Frühjahr 2015 einen Brief an sich selbst geschrieben, gewissermassen eine Flaschenpost an ihr zukünftiges Ich: Wer bin ich? Wie lebe ich? Was bereitet mir Freude, was Kummer? Wer ist mein bester Freund, meine beste Freundin? Was erwarte von meinem zukünftigen Ich? Was wünsche ich mir?

 

Emy, Yathusan und die vierzehn Anderen waren damals meine Schülerinnen und Schüler in Laufenburg. Kurz vor Ende ihrer Primarschulzeit entwickelten wir aus diesen Briefen ans Ich ein Theaterstück mit dem Titel «Du»

 

«Du» wurde ein Jahr später mit dem Funkenflugpreis von «Kultur macht Schule» ausgezeichnet. Und die Briefe? Die haben mich in den letzten 10 Jahren auf Schritt und Tritt begleitet. Sie alle liegen in dieser schlichten Kartonbox. Noch fünf Jahre werde ich sie hüten, dann gelangen sie zurück an ihre Adressaten. 

 

Das Theaterstück «Du» und ihre 16 Darstellerinnen und Darsteller von damals sind bis heute mein innerer Kompass - als Lehrer, Schulleiter, als Pädagoge – in der Zwischenzeit auch als Vater und Familienmensch. Die Kompassnadel von «Du» zeigt mir stets unmissverständlich die Richtung an, um was es wirklich geht – in unserer Schule: Nämlich um Menschen. Nicht, um die schriftliche Multiplikation. Nicht, um das fehlerfreie Konjugieren von Verben im Plusquamperfekt, nicht um den eleganten Felgaufzug an der Reckstange. Es geht um junge Menschen, die sich Welt aneignen, die sich entfalten, die suchen, die eine Neugierde auf sich selbst mitbringen, die wissen wollen, wer sie sind und was in ihnen steckt.

 

«Du» hat genau diesen Anspruch an Schule - ans Lernen - eingelöst, für meine damaligen Schülerinnen und Schüler, aber auch für mich, als ihr Lehrer. Und «Kultur macht Schule» hat das gesehen und gewürdigt. 

 

Dank «Kultur macht Schule» konnte ich in den folgenden 10 Jahren – bis heute - als Lehrer und später auch als Schulleiter immer wieder auf die tollen Angebote und Formate – wie zum Beispiel "Artits in Residence an Schulen" und "Prozessor" - zurückgreifen. Dank «Kultur macht Schule» blieb ich – zusammen mit den Schülerinnen und Schülern - ein Lernender, ein Suchender, ein Briefe-Schreiber an die Zukunft. 

 

Ich wünsche mir, dass die Aargauer Schulen noch vermehrt das Potenzial für Schulentwicklung in der Kunst- und Kulturbildung sehen und auch nutzen. Die Arbeitsprinzipien, die Angebote und Formate von «Kultur macht Schule» liefern dafür wunderbare Settings und Werkzeuge – prozessorientiert, ergebnisoffen und immer auf Augenhöhe mit den wichtigsten Akteuren, den Kindern und Jugendlichen. 

 

Wie wollen wir lernen? Wie Vernetzen wir digitale und analoge Lernräume? Wie machen wir uns die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen zunutze? 

 

Genau solche Fragen konnte ich als Schulleiter zusammen mit Künstlerinnen und Kulturinstitutionen - und den Schülerinnen und Schülern - in der Vergangenheit dank «Kultur macht Schule» erkunden. 

 

Emy, Yathusan und deren 14 Kolleginnen und Kollegen – heute schon alle junge Erwachsene - werden in fünf Jahren mit ihrem Schüler-Ich nochmals konfrontiert werden. Ein Blick in den Spiegel mit der zentralen Frage: Bist Du noch Ich?

 

Wunderbar und auch mutig, dass dies heute Abend auch «Kultur macht Schule» tut - ein Blick in den Spiegel. 

Ich an meiner Stelle kann nur danke sagen, an eine Fachstelle die mein Pädagogen-Ich nachhaltig geprägt hat und ich wünsche allen Aargauer Schulschaffenden, dass Sie weiterhin die Möglichkeit haben mit «Kultur macht Schule» ihr Du – also ihre Zukunft - zu erkunden und aktiv zu gestalten. 

 

Tut das, bitte!